Zum Interview mit Stefan Robiné, Babyboomerh-Stories:  https://spotify.link/XMvaWFN20Db

 

KkJ

Landkreis München, 04.11.2023

Leben mit unheilbarer Krankheit 

“Ich will gewinnen, obwohl ich verlieren werde”


Als Robert H. Allmann vor fünf Jahren die Diagnose Parkinson erhielt, war das zunächst eine Vollbremsung in seinem ausgefüllten Leben. Mittlerweile sind der Gräfelfinger und seine Frau aktiver denn je.

Von Annette Jäger

Gräfelfing/Neuried
Robert H. Allmann war ständig unterwegs. Um vier Uhr morgens aufstehen, zum Flughafen eilen, quer durch Deutschland fliegen, an mehreren Tagen in der Woche - so sah zuletzt sein Berufsalltag aus als Direktor eines Versicherungskonzerns, zuständig für den Deutschlandvertrieb. "Ich war selten zuhause", sagt er am Esstisch in seinem Gräfelfinger Haus, vor sich eine Tasse mit heißem Wasser, "Tee ohne Tee" nennt er das. Auch im Urlaub hat er gearbeitet. "Der Robert war ein Workaholic", sagt seine Frau Ute Zima. Das lässt er unkommentiert so stehen, klar ist: Er hat sich reingehängt in seinen Job.

Dann kam dieser Moment, wo er frühmorgens in der Eile den Manschettenknopf am rechten Ärmel nicht mehr mit der linken Hand schließen konnte. Das hat dann die Stewardess für ihn erledigt. Dazu kam das Zittern im rechten Oberschenkel. Es verging noch etliche Zeit, bis die Diagnose feststand: Parkinson. Das war 2018, damals war Robert H. Allmann 62 Jahre alt. Es war erst mal eine Vollbremsung im Leben.

Parkinson ist eine fortschreitende chronische Hirnerkrankung, die schleichend beginnt. Betroffene leiden unter einem Dopaminmangel, der unter anderem dazu führt, dass die Muskeln nach und nach versteifen, die Bewegungen sich verlangsamen und man einem unkontrollierten Zittern ausgesetzt ist, auch das Einfrieren von Bewegungen ist ein typisches Symptom. Aktuell sind in Deutschland rund 400 000 Menschen davon betroffen.

Fünf Jahre sind seit der Diagnose vergangen. Robert H. Allmann sitzt in Jeans, weißem Hemd und Turnschuhen am Tisch, bis auf ein leichtes Zittern des Oberschenkels merkt man ihm die Krankheit nicht an. "Die ersten zwei Wochen standen wir unter Schock", sagt Ute Zima. Bei Parkinson gibt es kein Zurück, die Krankheit nimmt ihren Verlauf. Sein Leben einer Krankheit zu überlassen, kam für Robert H. Allmann nicht in Frage. "Bei Licht betrachtet, hatte ich zwei Möglichkeiten: aufgeben und sitzen bleiben oder dagegen ankämpfen." Er entschied sich fürs Aufstehen und Kämpfen.

Das hat er schon mal erfolgreich gemacht. Im Jahr 2011 musste er sich einer Lebertransplantation unterziehen, das Organ war vom Fuchsbandwurm befallen, "damals ging es um Leben und Tod", sagt er. Er hat sich zurück ins Leben gekämpft, nach dem Eingriff angefangen, Halbmarathon zu laufen. Sitzen zu bleiben, das wäre auch bei Parkinson keine Option für ihn gewesen. Das ist ganz wörtlich gemeint: Sitzen bleiben, sich nicht bewegen, leistet der Krankheit Vorschub. "Parkinson ist eine Muskelgeschichte", sagt Allmann. Aktiv bleiben, die Muskeln stärken, den Geist rege halten, ist die einzige Chance, die Krankheit zu verzögern. Und die nutzt Robert H. Allmann.

Sein Programm: täglich drei Stunden Sport und auch Training für den Kopf

Sein Tag beginnt mit Gymnastik, später radelt er, geht schwimmen oder walken, spielt Tischtennis oder rudert an der Maschine. Er kommt auf insgesamt ca. drei Stunden Sport am Tag. Dazu ernährt er sich regelmäßig und ausgewogen und versucht, genug Schlaf zu bekommen. Im Moment gelingen ihm nur fünf Stunden, gesünder wären sieben, sagt er. Außerdem verbessert er sein Englisch, auch um sich geistig zu fordern, "das Dopamin fehlt auch hier oben", sagt er und tippt sich an den Kopf.

Robert H. Allmann hat früher seinen Job gemanagt, jetzt managt er seine Krankheit, er nennt es selbst "Parkinson-Management". Für den Begriff hat er sich im Internet gleich die Domäne gesichert. Zu diesem Management gehört auch sein Blog, mit dem er auf seiner Homepage Robert-Abenteuer-Parkinson.net im Oktober an den Start gegangen ist. Wöchentlich will er einen Beitrag erstellen und Einblick geben in seinen ganz persönlichen Umgang mit der Diagnose. Er will Betroffenen zeigen, was mit der Krankheit alles möglich ist, will seine Erfahrung weitergeben, Fragen beantworten. Betroffene sind für ihn nicht nur die Erkrankten, sondern auch die Angehörigen, denn sie erleben "massive Einschränkungen" durch die Krankheit, sagt er mit Blick auf seine Frau.

Robert H. Allmann geht proaktiv mit seiner Diagnose um. Er will zuerst da sein. Neulich hatten sie Handwerker im Haus, die prüfen sollten, was sich an Barrierefreiheit umsetzen lässt. Es wird der Tag kommen, an dem die Treppe nicht mehr zu bewältigen ist. Nach der Beratung fragten die Handwerker, wo denn die Oma sei. Sie staunten, als sie erfuhren, dass es nicht um die Oma, sondern den sportlichen Auftraggeber selbst ging. Teil von Robert H. Allmanns Parkinson-Management ist, offen über die Krankheit zu sprechen. Im Oktober tat er das etwa als Gast beim Podcast "Babyboomer-Stories".
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Morbus Parkinson ist ein Begleiter geworden. Er sitzt im Moment noch auf der Rückbank im Campingbus, den sich das Paar vor 3 Jahren gekauft hat, Robert H. Allmann sitzt am Steuer. Seine Frau hat ihren Job aufgegeben, "wir wollen die gemeinsame Zeit nutzen", sagt sie. Im vergangenen zwei Jahren waren sie viele Monate lang mit dem Camper unterwegs, viel in Spanien, auch auf den Kanaren, "mir tun die Sonne und die Wärme gut", sagt Robert H. Allmann. Eigentlich wollten sie jetzt im Herbst wieder aufbrechen, aber die Pläne sind andere. Er hat Tischtennis für sich entdeckt. Parkinson macht einen immer langsamer - Tischtennis fördert die Schnelligkeit. Der Sport ist außerdem auf Dynamik und Reaktionsvermögen ausgelegt, das wirkt sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus.

Im September hat er an der Ping-Pong-Parkinson-Weltmeisterschaft im österreichischen Wels teilgenommen. In dieser Woche nimmt er in Kreta a den Parkinson Tischtennis Weltmeisterschaften teil. Und es läuft sehr gut, Stand heute hat er sensationell im Einzel und im Doppel das Halbfinale erreicht. Er sucht den Wettkampf, er will wissen, wo er steht. "Ich will gewinnen, obwohl ich verlieren werde." Und damit meint er nicht das Tischtennisturnier.

Wenn Kreta vorbei ist, geht es weiter. Robert H. Allmann trinkt an seinem Tee ohne Tee - "das tut mir gut". In der Küche hängt ein großes Gemälde. Ein Paar in Abendkleidung tanzt am Strand, ein Dienstmädchen mit weißer Schürze und ein Diener im schwarzen Anzug halten Schirme über die beiden. "Ich glaube, die tanzen das Leben", meint Ute Zima.